Die Hochwasserlage in und um Münster hat sich weitgehend beruhigt. Nachdem der Pegel der Gersprenz am gestrigen Donnerstag mit beinahe 12cm/h gestiegen ist, hat er sich nun bei 386cm eingependelt. Die Spitze des Wasserpegels am Bezugspunkt in Groß-Bieberau lag heute morgen bei 388cm.
Nachfolgend ein Auschnitt aus einer Bewertung von Matthias Sottong, Ingenieur beim Wasserverband Gersprenz, für das Darmstädter Echo:
Das langsame Abtauen des Schnees stellt laut Wasserverband entlang der Gersprenz keine Gefahr dar.
Das für die kommenden Tage angekündigte Tauwetter kann trotz der vor allem in den Höhenlagen vorhandenen Schneemengen nur dann zu Hochwasser entlang der Gersprenz führen, wenn noch starke Niederschläge hinzukommen. So jedenfalls lautet die Einschätzung von Matthias Sottong, Ingenieur beim Wasserverband Gersprenz. „Wenn es so weiter abtaut wie bisher, mache ich mir keine großen Sorgen“, sagt er. Der Deutsche Wetterdienst in Offenbach geht für die kommenden Tage von nur leichten Niederschlägen aus. Der Landkreis wird trotzdem laut Sprecher Frank Horneff verstärkt ein Auge auf die Situation entlang der Gersprenz werfen. Die Polder sind betriebsbereit, sagt Sottong, eine besondere Vorbereitung auf das Schmelzwasser gebe es aber nicht. „Wir greifen nicht steuernd ein“, sagt er. Die Auslassmengen an den Poldern seien so reguliert, dass es bei den sogenannten Unterliegern – Orten, die in Fließrichtung der Gersprenz hinter den Rückhaltebauwerken liegen – zu keinen Überflutungen komme. „Die Anlagen sind so konzipiert, dass sie Hochwasserspitzen abfangen“, sagt Sottong. Das Hochwasser, wie es im statistischen Mittel alle zwei Jahre vorkomme – eine geringe Wassermenge im Vergleich zu einem Jahrhunderthochwasser – fließe einfach durch die Polder. Aber ein Hochwasser, wie es nur alle 20 Jahre vorkomme, werde zurückgehalten. Erst bei einer größeren Wassermenge werde beraten, ob die Polder reguliert werden. „Man kann sie rein theoretisch regulieren“, sagt Sottong, „aber je früher ich einstaue, desto früher läuft ein Polder voll.“ Das wiederum verursacht Überschwemmungen, die nicht hätten sein müssen. „Deshalb wird an den Anlagen möglichst lange nicht rumgedreht“, sagt Sottong.Seit vergangenem Jahr ist am Oberlauf der Gersprenz ein zusätzlicher Polder in Reichelsheim-Bockenrod in Betrieb, der 100 000 Kubikmeter Wasser (100 Millionen Liter) aufnehmen kann. „Dadurch wird die Hochwasserwelle verzögert“, sagt Sottong. Der Polder in Groß-Bieberau kann noch einmal 500 000 Kubikmeter aufnehmen – das entspricht einem 50-Jahre-Hochwasser. Im vergangenen Jahr hielt er Ende Februar/Anfang März rund 200 000 Kubikmeter zurück, trotzdem liefen die Reinheimer Seewiesen voll und auch die Straße zwischen Ueberau und Reinheim stand wieder unter Wasser, war unpassierbar. Dass zumindest die Seewiesen wieder überflutet werden, kann auch jetzt nicht ausgeschlossen werden. Sie sind als Retentionsraum vorgesehen – und bleiben es auch. Da der Groß-Bieberauer Polder nur das Wasser aus dem Odenwald aufnimmt, der Fischbach aber erst danach in die Gersprenz fließt, kommt auch das Wasser von der Neunkircher Höhe ungebremst in Reinheim an. Abhilfe könnte der geplante Polder in Fischbachtal zwischen Niedernhausen und Billings schaffen, der 200 000 Kubikmeter Wasser zurückhalten soll. Der allerdings ist laut Sottong noch in der Planungsphase. Die Pläne liegen beim Regierungspräsidium zur Genehmigung, die in diesem Jahr noch erteilt werden könnte. „Dann muss noch die Finanzierung gesichert werden“, sagt Sottong. Dies könnte im Optimalfall zu einem Baubeginn 2012/2013 führen. Bei einer Bauzeit von zwei Jahren ist der Polder dort wohl nicht vor 2014/2015 betriebsbereit. Er wird die Seewiesen entlasten. Ausgeschlossen ist aber auch dann nicht, dass sie volllaufen.
Südlich von Groß-Zimmern sorgen zwei Polder, die zusammen 250 000 Kubikmeter Wasser zurückhalten können, dafür, dass in Groß-Zimmern und Dieburg die Wohngebiete verschont werden. Die Gersprenz fließt über Babenhausen nach Bayern, wo sie in den Main mündet. Bis dahin gibt es keine weiteren Polder mehr, lediglich Felder und Wiesen als Retentionsräume wie die Reinheimer Seewiesen.Das Hessische Landesamt für Geologie und Umwelt prognostiziert für den Messpunkt in Harreshausen für das kommende Wochenende einen Pegelstand von etwa 230 Zentimetern, was aber noch unter der sogenannten Meldestufe drei liegt. Das bedeutet, dass vor allem landwirtschaftliche Flächen überflutet werden können. Ohne Niederschlag geht das Szenario von einem Pegel von etwa 190 Zentimeter aus, was ein knappes Überschreiten der Meldestufe eins bedeuten würde – es kommt nur stellenweise zu kleineren Ausuferungen. Am gestrigen Mittwoch lag der Pegel noch bei etwa 80 Zentimeter.
Quelle: echo-online.de
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